"Geisterjobs": Wie man Freunde verliert und Menschen verprellt

23.07.2024
businesswoman in front of a laptop

Wir bei LHH haben uns lange mit unserer jährlichen Studie "Global Workforce of the Future" auseinandergesetzt, die auf einer Umfrage unter 30.000 Arbeitnehmer*innen in 23 Ländern basiert. Um unsere Studie in einen gewissen Kontext zu setzen, haben wir uns – über die reinen Zahlen hinaus – umgehört, was andere Menschen zu einigen der wichtigsten Ergebnisse sagen. So hat unsere Umfrage gezeigt: Viele Jobsuchende haben sich auf Hunderte von Stellen beworben, ohne eine Antwort zu bekommen.

 

Das ist überraschend, denn der Job Openings and Labor Turnover Summary (JOLTS) des U.S. Bureau of Labor Statistics meldet für Ende 2023 9 Millionen offene Stellen in den USA . Dies liegt zwar unter dem Höchststand von 12 Millionen im März 2022, ist aber im historischen Kontext immer noch ein hohes Niveau. Wie kann es also sein, dass Bewerber*innen auf dem Arbeitsmarkt dermaßen zu kämpfen haben?

 

Viele Menschen haben angefangen, nach einer Erklärung zu suchen. Diese Suche gipfelte im letzten Sommer in einem Clip, der von der TikTok-Userin arizona_allie gepostet wurde. Er ging schnell viral und wurde in weniger als zwei Wochen über 100.000 Mal aufgerufen. Das Video mit dem Titel „Sag mir, dass du arbeitslos bist, ohne mir zu sagen, dass du arbeitslos bist“ enthielt eine Textzeile, in der es hieß: „POV: Man bekommt die 438. automatische Absage für einen Job, für den man qualifiziert ist. Und dann sieht man, wie die Stelle am nächsten Tag erneut ausgeschrieben wird und sich über 2.000 Personen darauf bewerben.“ In einer lebhaften Diskussion unter dem Posting berichteten andere TikTok-Nutzer*innen von ähnlichen Erfahrungen und stellten Theorien auf, was wohl passiert war – die meisten davon warfen ein wenig schmeichelhaftes Licht auf Arbeitgeber.

 

Dabei ist das Phänomen der „Geisterjobs“ schon seit geraumer Zeit bekannt. Eine Studie von Clarify Capital aus dem Jahr 2022 versuchte zu erklären, warum Stellen weiterhin ausgeschrieben werden, obwohl keine Absicht besteht, jemand einzustellen. Anfang 2023 ging ein Beitrag des LinkedIn-Nutzers Michael Keach auf der Plattform viral, in dem er die mentale Herausforderung, sich erfolglos auf über 160 Stellen zu bewerben, mit seinem 20-jährigen Militärdienst verglich. Dass der TikTok-Post trendete, war jedoch der Punkt, an dem „Geisterjobs“ wirklich vom Mainstream wahrgenommen wurden – insbesondere von der Generation Z, also den Arbeitskräften der Zukunft.

 

Enttäuschende Begründungen für „Geisterjobs“

 

Die Auswirkungen auf die betroffenen Personen sind oft verheerend. Jobsuchende haben das Gefühl, versagt zu haben, obwohl der Arbeitgeber in Wirklichkeit gar nicht die Absicht hatte, die Stelle zu besetzen; schlimmer noch, sie müssen diese Erfahrung hundertfach wiedererleben. Da es hier nicht nur um Daten geht, sondern um den Lebensunterhalt von Menschen und ihre Zukunftsträume, kann man nur hoffen, dass Arbeitgeber sehr gute Gründe für die Ausschreibung von „Geisterjobs“ haben.

 

Leider scheint das nicht der Fall zu sein. Die oben erwähnte Studie von Clarify Capital ergab, dass die drei häufigsten Gründe sind: "Das Unternehmen ist stets offen für neue Mitarbeitende", "die Motivation der derzeitigen Mitarbeitenden erhalten" und "den Eindruck vermitteln, dass das Unternehmen wächst". Weitere häufig genannte Gründe waren, "einen aktiven Kandidatenpool für den Fall einer Fluktuation haben" und "überlastete Mitarbeitende beschwichtigen".

 

Hinter jedem dieser Gründe steckt zwar ein legitimes Bedürfnis, aber keines davon rechtfertigt den Schaden für die Jobsuchenden – vor allem, wenn diese Bedürfnisse auf andere Weise viel effektiver befriedigt werden können. So sollten Arbeitgeber, die den Eindruck von Wachstum erwecken wollen, ihre Marketingstrategien überdenken. Diejenigen, die Zugang zu einem Talentpool benötigen, könnten sich an einen qualifizierten Dienstleister wenden. Ein Unternehmen, das „Geisterjobs“ anbietet, um überlastete Mitarbeitende zu besänftigen, hat möglicherweise Management- und Prozessprobleme zu lösen.

 

Eine Lose-Lose-Situation für Arbeitgeber und Jobsuchende

 

Dass das Phänomen der Geisterjobs demoralisierend und schädlich für Jobsuchende ist, scheint auf der Hand zu liegen. Aber wie sieht es mit den Auswirkungen auf die ausschreibenden Unternehmen aus? Auch hier ist das Gesamtbild negativ. Die meisten Führungskräfte, die diese Stellen ausschreiben, kennen die alte Geschäftsmaxime, dass unzufriedene Kund*innen 9-10 Bekannten von ihren Erfahrungen erzählen (im Zeitalter der sozialen Medien dürfte diese Zahl sogar noch viel höher sein), aber sie wenden diese Logik nicht auf ihre Arbeitgebermarke an. Das Phänomen der „Geisterjobs“ wird im Internet von den Betroffenen bereits ausgiebig diskutiert. Ihr Frust wächst und sie sind zunehmend bereit, die mutmaßlich verantwortlichen Unternehmen beim Namen zu nennen, um andere davor zu warnen, sich dort vergeblich zu bewerben.

 

Wenn Arbeitgeber sich auf diese Praxis einlassen, riskieren sie, dass potenzielle Kandidat*innen ihre wirklich dringend zu besetzenden Stellen ignorieren, da sie sie für „Geisterjobs“ halten. Vielleicht können Unternehmen dieses Hindernis überwinden. Aber dann müssen sie möglicherweise feststellen, dass sich die Bewerber*innen aufgrund früherer Erfahrungen mit einem dort ausgeschriebenen „Geisterjob“ bereits eine negative Meinung über das Unternehmen gebildet haben.

 

Der Anstieg der „Geisterjobs“ lässt auch eine der dominierenden Recruiting-Erzählungen der letzten Jahre in einem neuen Licht erscheinen. Die Fortune-Reporterin Chloe Berger wies letztes Jahr darauf hin, dass die große Kündigungswelle („The Great Resignation“) in den USA im Jahr 2021 vor allem darauf zurückzuführen war, dass die JOLTS-Indikatoren des Bureau of Labor Statistics in mehreren aufeinanderfolgenden Monaten mehr als 10 Millionen offene Stellen anzeigten. Die Frage, wie viele dieser offenen Stellen tatsächlich „Geisterjobs“ waren, ist nicht zu beantworten. Aber das Narrativ der "Great Resignation" veranlasste viele Menschen dazu, sich nach einem neuen Job umzusehen, obwohl sie andernfalls vielleicht in ihrer bisherigen Position geblieben wären. Viele Arbeitgeber haben während der Kündigungswelle Beschäftigte verloren, die sie eigentlich behalten wollten. Diejenigen unter ihnen, die Geisterjobs ausgeschrieben hatten, waren möglicherweise zumindest teilweise die Architekten ihres eigenen Unglücks.

 

„Geisterjobs“: Die Sicht von LHH

 

Es sollte inzwischen klar geworden sein, dass LHH „Geisterjobs“ für eine unerwünschte Praxis hält, die negative Folgen für Jobsuchende, Arbeitnehmer*innen, Unternehmen und wohl auch für die Wirtschaft insgesamt hat. Wir raten Arbeitgebern, die dies praktizieren, dringend nach anderen Möglichkeiten zu suchen.

 

Besonders beunruhigt waren wir über die Praxis, „Geisterjobs“ zum Aufbau eines Talentpools zu verwenden. Dies ist eine äußerst ineffektive und potenziell riskante Methode. Richtig umgesetzt, ist der Aufbau eines Talentpools ein fortlaufender, endloser Prozess. Es muss sichergestellt werden, dass die personenbezogenen Daten der Bewerber*innen im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften wie dem California Privacy Rights Act und der Allgemeinen Datenschutzverordnung der Europäischen Union (GDPR) behandelt werden. Letztere gilt übrigens für alle Unternehmen, die in der Europäischen Union tätig sind – unabhängig vom Firmensitz. Die Strafen für Verstöße gegen diese Rechtsvorschriften können horrend sein: Die schwerwiegendsten Verstöße gegen das GDPR werden mit Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr geahndet (je nachdem, welcher Betrag höher ist).

 

Angesichts dieses Risikos im Zusammenhang mit dem unsachgemäßen Umgang mit personenbezogenen Daten raten wir jedem Unternehmen, das diesen Weg einschlägt, dringend zu einer Partnerschaft mit einem spezialisierten Dienstleister. Spezialisierte Partner können Ihnen Zugang zu weltweiten Pools der wertvollsten Talente bieten und sich gleichzeitig in Ihrem Auftrag um die relevanten Compliance-Aspekte kümmern.

 

Trotz der Verbreitung von „Geisterjobs“ sind wir erleichtert, dass unsere Untersuchungen zeigen, dass Menschen weiterhin Vertrauen in ihre Fähigkeit haben, einen Job zu finden. Weitere Informationen und Erkenntnisse finden Sie in unserer Studie "Global Workforce of the Future".

 

Möchten Sie wissen, wie LHH Ihnen helfen kann, Zugang zu aktuellen Marktinformationen zu erhalten? Und wie Sie einen leistungsstarken Talentpool aufbauen, ohne Geisterjobs zu veröffentlichen? Dann nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.